Als Student im Writers' Workshop der University of Iowa, damals, als es noch Wildnis gab und Plastik den Pazifischen Ozean noch nicht erobert hatte, erfuhr ich, dass Wissenschaftler versuchten, anderen Spezies beizubringen, in unserer Sprache zu kommunizieren. Das interessierte mich sehr und hat bis heute nicht aufgehört, mich zu interessieren. Ich schrieb damals "Descent of Man", die titelgebende Story meiner ersten Sammlung von Erzählungen. Sie wird von einem unbedarften jungen Mann erzählt, dessen Freundin im Rahmen eines Forschungsprojekts mit einem sehr intelligenten und charismatischen Schimpansen namens Konrad arbeitet. Es ist gewissermßen eine Dreierbeziehung - und die junge Frau zieht Konrad ihrem Freund vor. Jetzt, nach all den Jahren, bin ich zurückgekehrt, um die Auswirkungen der speziesübergreifenden Kommunikation - und Liebe - noch einmal zu erforschen. In meinem letzten Roman Das Licht ging es um das menschliche Bewusstsein und die Möglichkeit, es durch psychedelische Mittel zu erweitern, in Sprich mit mir dagegen steht das tierische Bewusstsein im Vordergrund. Das Buch greift die Fremdpflegeversuche der 1970er und 80er Jahre auf, bei denen kleine Schimpansen ohne Kontakt zu Angehörigen ihrer eigenen Spezies in menschlichen Familien aufgezogen wurden - wie menschliche Kinder also -, um festzustellen, ob sie imstande waren, unsere Sprache situationsbezogen und durch Nachahmung zu erlernen. Der berühmteste dieser Schimpansen war Nim Chimpsky, dessen bewegende, ja herzzerreißende Biografie von Elizabeth Hess eine der Inspirationen für diesen Roman waren, wie auch andere Texte aus jener Zeit, etwa Roger Fouts' Next of Kin (dt. Unsere nächsten Verwandten) und Maurice K. Temerlins Lucy: Growing Up Human sowie die Werke von Frans de Waal, Jane Goodall und einigen anderen Primatenforschern. Die Heldin in Sprich mit mir ist Aimee Villard, eine schüchterne, verschlossene Studentin, die fasziniert ist von dem Primatenforschungsprogramm ihrer Universität und seinem mitreißenden Leiter Guy Schermerhorn, dessen Assistentin - und Geliebte - sie wird. Wie immer gibt es einen Bösewicht (es muss einen geben), und hier ist es ein Psychologe und Schimpansenzüchter, der die Fäden zieht und Tiere wie Menschen für seine eigenen Zwecke missbraucht. Und es gibt eine weitere zentrale Figur, den männlichen Helden, und das ist Sam, der Schimpanse, den Guy und Aimee aufziehen und der wie ein Ersatzkind in ihrem Haus lebt. Sams Sicht auf die Welt wiederzugeben, war für mich die größte Herausforderung und zugleich das größte Vergnügen beim Schreiben dieses Buches. Sam ist wie wir - immerhin sind wir, wie Jared Diamond und andere uns versichern, zu einem Drittel Schimpansen -, und doch auch ganz und gar anders. Er wird, wie wir, von Hormonen getrieben, er ist frustriert, er hat Wutanfälle, er will seine Hausaufgaben nicht machen - und dennoch ist er imstande, an den tiefen Brunnen der Liebe zu rühren. Es ist ein Buch, das bei allen einen Nerv treffen wird, die je ein Haustier gehabt haben, sei es Hund, Katze, Sittich oder Python, - all diese Wesen kommunizieren auf vielen Ebenen mit uns, auch wenn die Form dieser Kommunikation ganz anders ist als das, was wir mit unseren Mitmenschen austauschen. Unser Bewusstsein bestimmt unsere Welt. Wir sind immer da, wir bringen Ideen, Gedanken, Wünsche hervor, und Sprache ist unser Motor. Die anderen Tiere müssen sich vor uns hüten - so viele von ihnen landen im Kochtopf, auf dem Grill oder unter den Rädern unserer Wagen. Doch auch sie haben ein Bewusstsein, sie haben ihre eigene Sicht auf die Welt, und die ist so schlüssig wie unsere - sie können uns nur nicht davon erzählen. Aber was, wenn sie könnten? Was, wenn man ihnen unsere Sprache beibringen könnte? Was, wenn sie dann Dinge sagen würden, die wir nicht hören wollen?
– T.C. Boyle
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